Page 196 - Sturz eines Siegers
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Er ärgerte sich über seine verweichlichten Kollegen. Bei dem geringsten Hüsteln machten sie schlapp und meldeten sich krank. Sie waren Polizisten, verdammt, da musste man sich zusammenreißen. Das Verbrechen feierte schließlich auch nicht krank. Mag sein, dass er mit dieser Einstellung raubeinig schien und den Ruf hatte „vom alten Schlag“ zu sein, aber wer musste denn auch die Schichten übernehmen, wenn die Kollegen wieder ein Ziepen verspürten? Er war es schließlich immer.
Und jetzt dies. Ein Schusswechsel mitten auf der Straße. Zum Feierabend. Frechheit.
„Ich kann nichts versprechen, dafür ist die Operation noch zu frisch. Hätte er sein Handy nicht in der Innentasche seiner Jacke gehabt, hätte er keine Chance gehabt. Das Smartphone hat die Kugel abgebremst und auch ein wenig umgeleitet, so dass sie das Herz nicht getroffen hat. Trotzdem muss man bedenken, dass das Geschoss verheerenden Schaden im Körper angerichtet hat.“ Doktor Martin nahm einen kräftigen Schluck, verzog angewidert sein Gesicht und griff zu einem Päckchen Zucker. Er häufte zwei Löffel Zucker in die pechschwarze Brühe und begann emsig zu rühren. „Sicher keine Tasse Kaffee? Er ist zwar bitter, aber er hält immerhin wach.“
Kommissar Brunner hob ablehnend die Hände: „Danke, aber nein danke. Wenn ich nach 17:00 Uhr auch nur eine Cola trinke, kann ich die Nachtruhe abhaken, dann bekomme ich kein Auge mehr zu.“
Doktor Martins nickte verständnisvoll, der Löffel drehte immer noch fleißig seine Runden in der Tasse: „Schon seltsam, wie verschieden Menschen auf Koffein reagieren. Ich für meinen Teil kann eine Tasse Kaffee trinken und danach sofort schlafen. Wahrscheinlich bin ich das Zeug schon zu lange gewöhnt. Und dann auch noch die Menge an Zucker. Ich weiß, dass das schlecht ist, sie brauchen mich gar nicht so vorwurfsvoll anzusehen.“ Brunner zuckte mit den Schultern: „Ich habe keinen Grund, vorwurfsvoll zu schauen. Ich bin einfach nur müde. Also Doktor Martins, wann können Sie mir mehr zu seinem Zustand mitteilen und ab wann kann ich mit Ihrem Patienten sprechen? Haben Sie ein Ungefähr für mich?“
Doktor Martins wiegte seinen Kopf hin und her, als ob er geistig eine Pro- und Contra Liste ausfüllte. Noch bevor er antworten
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