Page 117 - Sturz eines Siegers
P. 117

„Bei uns heißt es aber zehn Minuten vor der Zeit.“ Die Stimme erklang so plötzlich, dass Mark seinen Rucksack, welchen er gerade in seinem Spind deponieren wollte, fallen ließ.
Er wirbelte herum und blickte in das breite, hämische Grinsen, welches das Gesicht von Feist zierte.
Mark erholte sich schnell von dem Schrecken, sah Feist kurz an und brummte: „Was willst du?“
Er hob seinen Rucksack auf, klopfte ihn (zugegeben recht theatralisch) ab und stellte ihn nun endlich in den Spint. Die Herkunft des Klirrens, welches er eben aus dem Inneren hören musste, würde er wohl oder übel später inspizieren müssen. „Pünktlichkeit!“, sagte Feist und starrte dabei provokant auf seine abartig pompöse Armbanduhr.
Wer, zur Hölle, trägt heute noch goldene Armbanduhren? Hatte er die gestern auch schon? dachte Mark. Er sah Feist erwartungsvoll an.
Da Mark nichts erwiderte, schien Feists Grinsen zu straucheln. Er hatte sich offenbar auf ein Wortgefecht eingestellt und jetzt, wo es ausblieb, schien er sich seiner Sache nicht mehr ganz so sicher zu sein.
Mark genoss diesen Augenblick. Es war, als ob immer mehr Energie in seinen müden Körper floss, je länger dieser Augenblick andauerte.
Äußerlich versuchte Mark sich seine Freude über die Unsicherheit seines Gegenübers nicht anmerken zu lassen. Er behielt seine unbeeindruckte, marmorierte Fassade, zumindest hoffte er das. „Sonst noch was oder kann ich jetzt endlich in meine Abteilung?“, fragte Mark und sah weiterhin Feist an. Er addierte eine Prise Verachtung in seine Mimik und hoffte, dass ihm das gelang.
Ein Königreich für einen Spiegel, dachte er. Mark musste einfach blindlings auf den gelungenen Ausdruck seiner Mimik vertrauen. Die Reaktion von Feist bestätigte seine mimischen Mühen. Feists Körperhaltung fiel beinahe wie ein Kartenhaus zusammen und er machte Mark, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, Platz.
Nachdem Mark den „schlimmsten Kollegen der Welt“ passiert hatte, brach sein siegreiches Grinsen aus seinem versteinerten Gesicht hervor. Lautlos.
Jetzt durfte er grinsen, niemand konnte es sehen.
-
Seite 116






















































































   115   116   117   118   119